Dienstag, 24. September 2013

"Schrubber"

Hallo zusammen,


jetzt habe ich es auch endlich wieder geschafft einen ruhigen Moment zu finden und euch wieder zu schreiben...erst einmal die wichtigste Info für euch: Mir und den anderen Freiwilligen geht es gut und niemand von uns oder unseren Gastfamilien ist betroffen. Für die, die es nicht mitbekommen haben: Am Samstag morgen wurde ein Terroranschlag auf eine Shopping Mall in Nairobi Westlands (das Viertel der Reichen und Weißen) verübt mit mittlerweile ca. 62 Toten und über 170 Verletzten. Ich selber habe davon nur übers Radio erfahren und ihr wisst sicher mehr darüber als ich. Was ich allerdings sagen kann ist, dass es sogar hier im friedlichen Dorf Manga die Gemüter aufwühlt und hitzige Diskussionen über den Präsidenten und die Sicherheitslage in Kenia hervorruft. Es ist irgendwie ein seltsames Gefühl für mich, da es mir einerseits so weit weg vorkommt und ich mich andererseits gerade in diesem Land befinde und die Gespräche und Sorgen der Kenianer hautnah miterlebe.

So, jetzt zu den Geschehnissen meiner letzten Tage...
Seit dem letzten Blogeintrag hat sich meine Projektsituation um einiges gebessert. Ich habe mit der Rektorin der Primary School und der Rektorin der Secondary School geredet und wir haben ausgemacht, dass ich nun in beiden Schulen unterrichten darf, was mir innerlich Freudensprünge bereitet hat :) Ich unterrichte jetzt in der Secondary School weiterhin Sport und Life Skills und in der Grundschule Sport und Science in den Klassen 4 und 5. Man merkt direkt einen Unterschied bezüglich des Alters...die Grundschulkinder sind viel aufmerksamer und interessierter, auch wenn sie nicht immer alles verstehen, was ich ihnen sage.
Als ich das erste Mal in die Grundschule gegangen bin, sind die jüngsten Kinder alle auf mich zugerannt gekommen und wollten mich anfassen und mir die Hand geben...das ist wirklich genauso wie man sich das vorstellt: Man betritt das Gelände und dutzende kenianische Mädchen rennen auf dich zu :D


Die letzte Woche war durch die neue Projektsituation wirklich sehr schön. Dazu hat auch das Wochenende davor in Nairobi mit den anderen Freiwilligen beigetragen. Es tat unglaublich gut sich das erste Mal nach dem Arrival Camp wieder zu sehen und die Erlebnisse und Wohnsituationen auszutauschen. Das hat mir wieder neue Motivation gegeben, außerdem war es auch mal wieder gut, aus dem Dorfleben rauszukommen und eine Stadt und einen Supermarkt zu sehen :D
Wie gesagt, die Woche war wirklich gut und es gab viele Momente, in denen ich zu 100% gemerkt habe, dass es die richtige Entscheidung war, nach Kenia zu gehen! Zum Beispiel, als ich das erste Mal in die Baby-Klasse gegangen bin und mit ihnen das Alphabet und die Zahlen aufgesagt habe, oder als meine komplette Gastfamilie einen Lachanfall bekommen hat, als ich das Wort „Schrubber“ gesagt habe, oder als ich mit den Mädchen kenianische Tanzspiele gespielt habe, oder als meine Gastmutter das erste Mal Chapati (Teigfladen) bei gemütlichem Feuer- und Öllampenlicht gemacht hat, oder als ich mit meinen Gastschwestern lustige Springfotos gemacht habe und und und :)


An diesem Wochenende war mein Gastvater Steve zu Besuch hier (er arbeitet in Nairobi und kommt nur ca. alle 2-3 Monate zu Besuch) und ich war daher das erste Mal ein ganzes Wochenende komplett Zuhause. Es war sehr entspannt und gemütlich und es gab unglaublich gutes Essen. Es wurde sogar ein Huhn geschlachtet, das wir dann mit Reis und Kartoffeln gegessen haben. Am Sonntag hat meine Gastmutter Chapati mit Bohnen gemacht :)
Am Samstag ist normalerweise der Kirchentag, aber an diesem Samstag war Fundraising und meine Gasteltern meinten, dass das erstens zu langwierig ist und zweitens würden alle Leute auf mich zukommen und erwarten, dass ich eine große Summe spende, da ich weiß bin und in den meisten Augen dadurch automatisch reich. Daher haben wir es ruhig angehen lassen und sind durch das Gelände gelaufen, haben Bohnen aussortiert, gegessen, geredet und gespielt. Am Sonntag war es dann schon anstrengender, da ich erst meine Wäsche gewaschen habe (bei viel Wäsche kann das ganz schön auf die Hände und den Rücken gehen) und danach auf dem Feld mitgeholfen habe, Bohnen zu ernten, zu trocknen, auszuschlagen und zu säubern. Es hat aber echt Spaß gemacht, etwas mehr über die Landwirtschaft hier zu lernen.
Mein Gastvater ist bis gestern Abend geblieben und ich habe mir daher die letzten Nächte das Bett mit meiner jüngsten Gastschwester Marion geteilt. Das war einerseits wirklich amüsant, andererseits bin ich jetzt doch froh, wieder meinen Freiraum zu haben...ich wollte zwar immer jüngere Geschwister haben, aber es kann doch sehr anstrengend werden, habe ich jetzt gemerkt :D


Ach, und was ich fast vergessen hätte zu erzählen: Heute morgen hat eine der Ziegen ihr Kleines bekommen :) Alle waren superglücklich darüber, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Die Worte meiner Gastmutter: „Heute ist ein wunderbarer Tag.Gott hat meine Familie mit einem weiteren Zieglein gesegnet, sodass wir an Weihnachten ein Festmahl haben!“. Meine Worte: Ohhhh wie süß...ich gebe dem Zieglein den Namen 'Moyo'!“ 'Moyo' bedeutet 'Herz' auf Kiswahili...tja, mal gucken, wie lange Moyos Herz schlagen wird...



Bis bald,
eure Lara

Dienstag, 10. September 2013

Zwischen Schule und Hochzeit

Mbuya ore!



So, die ersten Tage im Projekt habe ich nun hinter mir und es gibt wieder einiges zu erzählen.
Ich habe euch ja schon berichtet, dass mein Projekt jetzt doch eine Secondary School, um genau zu sein eine Boarding School. Es sind ca. 150 Mädchen auf der Schule, aufgeteilt in die Klassen Form 1, Form 2, Form 3 und Form 4. Die Mädchen sind zwischen 14 und 20 Jahre alt und viele von ihnen sind aus armen Verhältnissen, manche sogar Waisen. Das hat man besonders in den ersten Tagen gemerkt...eigentlich sollten alle Schülerinnen am Montag letzter Woche erscheinen, letztendlich waren es dann nur 10, die am Montag gekommen sind. Die anderen sind im Laufe der Woche eingetrudelt, manche sind bis heute noch nicht da. Grund dafür ist entweder das fehlende Schulgeld, Eltern, die nicht hinter der Schule stehen, sondern sich eher freuen ihre Kinder noch länger als Hilfe im Haushalt zu haben, oder im schlimmsten Fall eine ungeplante Schwangerschaft. Dementsprechend war die erste Woche sehr unorganisiert.
Das Schulleben hier unterscheidet sich um einiges vom deutschen Schulsystem. Einerseits ist es unglaublich strikt (Der Schlagstock wird mehr als häufig benutzt, selbst bei Kleinigkeiten, wie z.B. ein ungefegter Schlafraum), andererseits wird hier einiges sehr lässig gesehen, wie z.B. die Pünktlichkeit (Die Schülerinnen sitzen manchmal allein in der Klasse, weil der Lehrer ca. 2 Stunden zu spät zur Schule kommt)
Am Donnerstag hatten wir eine ca. 5 Stunden lange Lehrerversammlung. Sie wurde mit einem Gebet, einer Bibellesung und einem Lied begonnen (So wird hier übrigens jeder Schultag begonnen). Themen wie Prüfungen, Disziplin, Noten und Zusammenarbeit wurden angesprochen. Da die Lehrer aufgrund des Streiks letzten Monat und der Verspätung der Mädchen mit dem Stoff nicht durchgekommen sind, werden die Prüfungen um ca. 3 Wochen verschoben. Die Ergebnisse der letzten Prüfungen haben mich sehr erschreckt: Fast alle Schülerinnen hatten 4en und 5en. Nur in Ausnahmefällen habe ich eine 3 auf dem Blatt entdeckt, eine 2 oder 1 war gar nicht zu sehen. Ich denke dahingehend muss sich erst die Einstellung der Lehrer ändern, bevor die Schülerinnen einsehen, mehr für ihre Bildung zu tun.


Jetzt zu meinem Tagesablauf und meinen Aufgaben hier:
Mein Tag beginnt um 05:45 Uhr. Für mich ist das zwar früh, aber ich bin trotzdem noch die letzte, die aufsteht. Um 06:45 Uhr laufe ich zur Schule, da ich um 7:30 Uhr in der Schule sein soll. Ich gehe dann zu den Schlafräumen und passe auf, dass die Mädchen ihre Zimmer sauber machen und in ihre Klassen oder zur Versammlung gehen (gar nicht so einfach, einem älteren Mädchen zu sagen, was es zu tun hat). Im Laufe des Tages habe ich dann eine Stunde zu unterrichten (Life Skills oder Sport). Den Rest des Tages suche ich mir meine Aufgaben selbst, wie z.B. den Unterricht vorberieten, im Sekretariat aushelfen, oder mit den Mädchen reden. Die meiste Zeit unterhalte ich mich allerdings mit den Lehrern und tausche mich mit ihnen über die kenianische und deutsche Kultur aus. Ich muss aber gestehen, dass ich mich häufig langweile, da die Schülerinnen im Unterricht sind und die Lehrer manchmal Kiswahili reden und ich daher nichts verstehe (Die Sprache ist auch so eine Sache...Es ist echt schwer sie zu lernen, weil die Kisiis manchmal Kiswahili, manchmal Ekegusii und manchmal Englisch reden, oder nach Lust und Laune auch mal alle 3 Sprachen mixen :D).
Für mich steht jedenfalls fest, dass ich nicht ein ganzes Jahr mit diesen wenigen Aufgaben verbringen möchte. Dazu kommt, dass das Unterrichten von Schülerinnen, die älter sind als ich, meinen ursprünglichen Wunsch, mit Kindern zu arbeiten, weit verfehlt. Morgen habe ich daher ein Treffen mit der Rektorin der Grundschule...dann werde ich erfahren, ob es möglich ist, auch dort zu arbeiten (Da ich aber eigentlich nur für die Secondary School eingeplant war und die Primary School bis vor einer Woche gar nicht von meiner Existenz wusste, kann das jedoch noch zum Problem werden).

Am letzten Wochenende war ich mit meiner Gastmutter und meiner jüngsten Gastschwester in Nyanchenge (südlich von Kisii), da die Eltern meiner Gastmutter geheiratet haben. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was da los war :D Am Freitag Abend sind alle Familienmitglieder gekommen, um beim Vorbereiten zu helfen. Und mit Familienmitgliedern meine ich gefühlte 30 Leute, die entweder bei Nachbarn oder im Haus geschlafen haben. Allerdings haben letztendlich nur die Kinder, Ich und vereinzelt ein paar Erwachsene versucht zu schlafen. Die Anderen haben die ganze Nacht lang getanzt und gesungen. Dafür war ich dann aber doch irgendwann zu müde...
Am Samstag Morgen ging es dann richtig los: Es wurde geputzt, aufgeräumt, vorgekocht und zur Feier des Tages eine Zeige geschlachtet (Ich habe nicht schlecht geguckt, als ich zur Toilette hinters Haus gehen wollte und auf dem Weg dorthin fast in einen gehäuteten Ziegenkörper gerannt wäre :D)
Um 10:00 Uhr ging die Zeremonie in der Kirche los. Da ich gebeten wurde das ganze mit meiner Kamera zu filmen und Fotos zu machen, habe ich leider nicht immer alles mitbekommen, sondern war damit beschäftigt, meine Kamera durch die Kindermassen zu bugsieren. Es wurde viel getanzt und gesungen, aber irgendwann wurde es doch ziemlich lang für mich, da der Gottesdienst in Ekegusii gehalten wurde und ganze 4 Stunden dauerte.
Nach dem Gottesdienst sind alle Gäste zum Haus gegangen, um zu essen. Eingeladen waren ursprünglich 60 Leute, daraus wurden aber schnell über 200 Leute aus der ganzen Nachbarschaft, besonders die Kinder waren ganz heiß auf dieses Event und das gute Essen.
Die Hochzeit endete allerdings sehr früh (ca. 17:00 Uhr), und es wurde gar nicht mehr getanzt. Der Gottesdienst ist nämlich die hauptsächliche Feier.
Am nächsten Morgen sind wir dann aufgebrochen, um noch vor dem Regen zu Hause zu sein, was leider nicht ganz geklappt hat.


Nächstes Wochenende werde mit einigen anderen Freiwilligen nach Nairobi fahren, um dort den Geburtstag von Lukas (einem deutschen Mitfreiwilligen) zu feiern. Ich freue mich schon sehr darauf, die anderen mal wieder zu sehen und die ersten Erfahrungen und Sorgen auszutauschen.

Ganz liebe Grüße,
eure Lara